Rev. Ron Hanko
Hat Logik etwas mit dem Studium der Schrift zu tun?
Im besten Fall geben moderne evangelikale Theologen eine ziemlich mehrdeutige Antwort auf diese Frage. Obwohl sie den Gebrauch der Logik nicht ganz zurückweisen – wer kann das schon? – lehnen sie es trotzdem ab, den logischen Folgerungen ihrer eigenen Lehren ins Gesicht zu sehen, lehren viele logisch inkonsistente Lehren wie z.B. die Lehre von den zwei sich widersprechenden Willen Gottes und verlästern diejenigen, die auf einer logischen Auslegung der Wahrheit als Rationalisten bestehen.
Wenn man ihnen ihre Inkonsistenzen aufzeigt, verhöhnen sie die "bloße menschliche Logik" und sprechen von einem "Mysterium" bzw. einem "Geheimnis" oder von einer "Antinomie" oder von einer "Spannung" und von scheinbaren und realen Widersprüchen in Gottes Wort.
Was sollen wir von all dem halten?
Der Verweis auf ein Geheimnis hört sich für die meisten Gläubigen sehr fromm an, da die Schrift auch von Geheimnissen spricht. Doch folgen diese Leute dem biblischen Konzept des „Geheimnisses", wenn sie dieses Wort gebrauchen und damit einen „Widerspruch" oder ein „Paradoxon" meinen? Bezieht sich die Bibel jemals auf Lehren, die sich widersprechen oder unmöglich sind zu verstehen, wenn sie von Geheimnissen spricht? Kann es Wahrheiten über Gott oder die Schrift geben, die sich gegenseitig widersprechen?
In dieselbe Richtung weisend: bedeutet Gottes Unbegreiflichkeit, dass wir widersprüchliche Dinge über ihn glauben können? Ist es zumindest manchmal unmöglich zu verstehen was Gott über sich selbst oder sein Wort sagt oder daraus etwas Sinnvolles zu schließen? Dies scheint die Schlussfolgerung einiger zu sein, die über den Gebrauch von Logik verächtlich sprechen und die an Widersprüchen in Gott und der Schrift festhalten – dass Rationalität unvereinbar mit Gottes Unbegreiflichkeit ist.
Und schließlich, ist es Rationalismus darauf zu bestehen, dass die Lehren der Schrift logisch konsistent miteinander sein müssen? So lautet nämlich die Anschuldigung denjenigen gegenüber, die darauf bestehen, dass die Lehren der Schrift sich nicht widersprechen können. Stellen sie die Logik über die Schrift, wenn sie versuchen die Wahrheiten der Schrift zu harmonisieren und sie in ein logisch kohärentes System einzubetten? Natürlich würden viele behaupten, dass sie das tun.
Der Grund, warum die Anfechtung der Logik so erfolgreich ist, besteht vielleicht darin, dass das Wort in den Köpfen der modernen Menschen, sogar der Christen, ein kaltes und ödes Lehrsystem heraufbeschwört, dass in keinerlei Beziehung zum Leben steht und absolut ohne Leidenschaft oder Wärme auskommt. Diese Sicht der Logik ist allerdings falsch.
Es hilft, diese falschen Annahmen zu zerstreuen, wenn man bedenkt, dass wir das Wort „Logik" dem griechischen Wort „logos" entnehmen, das in Joh. 1,1-14 mit „Wort" übersetzt wird und als ein Name unseres Herrn Jesus Christus verwendet wird. Es ist nicht seltsamer von Christus im Sinne von Logik zu denken als im Sinne des „Wortes". Logos mit der Rede oder dem gesprochenen Wort zu verbinden heißt lediglich, dass Gott durch ihn zu uns spricht und sich uns durch ihn offenbart. Logos mit Logik zu verbinden bedeutet, wenn Gott durch seinen Sohn zu uns spricht, spricht er rational und verständlich. Das ist das eigentliche Wunder der Offenbarung – nicht nur, dass Gott zu uns spricht, sondern auch, dass wir verstehen können was er sagt und dass dies einen Sinn für uns ergibt.
James O. Buswell sagt:
Wenn wir die Gesetze der Logik akzeptieren, akzeptieren wir keine Gesetze, die sich außerhalb Gottes befinden und denen er sich beugen muss, sondern wir akzeptieren Gesetze der Wahrheit, welche von Gottes heiligem Charakter abgeleitet sind [...] Die Bibel als ein in menschlicher Sprache geschriebenes Buch, behauptet die Wahrheit zu sein. Wenn das Wort Wahrheit nicht bedeutungslos ist, impliziert es die Gesetze der Wahrheit, das bedeutet, die Gesetze der Logik.
Wir leugnen natürlich nicht, dass ein Wirken des Heiligen Geistes notwendig ist, damit der natürliche Mensch in der Lage ist zu verstehen was Gott sagt. Das Problem beim Ungläubigen liegt jedoch nicht darin, dass Gottes Wort für ihn unverständlich oder irrational ist, sondern darin, dass der natürliche Mensch ein Narr ist. Er will und wird es nicht verstehen. Er ist ein wenig wie ein Ausländer, der vorgibt die Landessprache nicht zu verstehen, um eine unerfreuliche Konfrontation mit den Behörden zu vermeiden.
Logik ist einfach richtiges Denken und die Gesetzte der Logik, die Gesetze für richtiges Denken. Wenn wir das in unseren Verstand bekommen, werden wir nicht so verächtlich von der Logik denken. Gott möchte ganz sicher, dass wir richtig von ihm, über Recht und Unrecht und alle anderen Dinge denken. Umgekehrt ist es Sünde falsch über Gott, über seine Wahrheit oder über Moral zu denken. Zu sagen, dass Richtiges falsch ist und Falsches richtig, ist eine Sache von falschem, sündigen Denken (Jes. 5,20). Richtiges Denken, zumindest über die Dinge Gottes, ist nicht nur korrekt, sondern wird von uns allen verlangt und jegliches falsche Denken wird verurteilt (Ps. 50,21; Phil. 4,8).
Richtiges Denken ist folglich denken in Übereinstimmung mit allem, was das Wort lehrt. Wir müssen denken, was Gott denkt. Wir haben seine Gedanken im Wort. Und daher, ebenso wie wir bezeugen, dass wir sagen was er sagt, so denken wir im Denken was er uns offenbart – seine eigenen Gedanken (Ps. 10,4). Wir müssen daher „jeden Gedanken gefangen nehmen zum Gehorsam gegen Christus" (2. Kor. 10,5).
Solch richtiges Denken ist jedoch rational und ergibt Sinn. Richtiges Denken wird daher nicht nur Denken sein, das auf dem Wort Gottes basiert, sondern Denken, das aus genau diesem Grund verständlich und rational ist. Gerade weil die „Gedanken" des Wortes, Gottes Offenbarung sind, sind sie nicht irrational, sinnlos, widersprüchlich und unmöglich zu verstehen.
In diesem Punkt stimmen wir mit Gordon Clark überein, der fragt:
Scheint es in diesem Zusammenhang nicht merkwürdig zu sein, dass ein Theologe, welcher der Lehre des Sühnetodes Christi oder ein Pietist, welcher dem Konzept der Heiligung fest anhängt – die gleichwohl nur in einigen Bibelstellen erläutert werden – und die dennoch feindlich oder argwöhnisch der Rationalität oder Logik gegenüberstehen, die jeder Vers der Schrift aufweist? (An Introduction to Christian Philosophy, p. 72).
In diesem Zusammenhang ist es auch nicht sehr hilfreich „bloße menschliche Arithmetik" zu belächeln, auf die Gordon Clark an anderer Stelle hinweist, wenn er fragt: „Zwei plus zwei ist vier für den Menschen, aber ergibt diese Rechnung elf bei Gott?" ("God and Logic," Trinity Review, no. 16).
All dies führt uns zu einem anderen wichtigen Punkt, der Verteidigung von Rationalität. Rationalität ist nicht dasselbe wie Rationalismus. Wenn jemand darauf besteht, dass es ein Widerspruch, ein unmöglicher Nonsense ist zu sagen, dass Gott die Erlösung der Verworfenen möchte und gleichzeitig nicht möchte, wird er sofort des Rationalismus beschuldigt. Aber er ist einfach nur rational. Das ist etwas anderes. Eine Sache, die klar gestellt werden muss ist, dass es nicht Rationalismus ist, wenn man rational ist und darauf beharrt, dass die Wahrheit rational sein und einen Sinn ergeben muss. Der Rationalismus ist eine Denkart, die nicht bei Gott und der Schrift beginnt und deshalb immer im Nirgendwo endet. Tatsächlich ist es der Rationalismus, der den modernen Menschen an den Rand totaler Irrationalität und Anarchie in Philosophie, Kunst, Wissenschaft und Ethik geführt hat. Durch die Abspaltung seines Denkens von der Schrift, ist er in der Sinnlosigkeit angekommen.
Francis Schaeffer sagt:
Das Christentum hat daher die Möglichkeit ganz klar von dem Fakt zu sprechen, dass seine Antwort genau jenen Sachverhalt aufweist, an dem der moderne Mensch verzweifelt – der Einheit der Denkweise. Es liefert eine einheitliche Antwort für das ganze Leben. Es ist wahr, dass der Mensch seinen Rationalismus aufgeben muss, doch auf der Basis dessen, was diskutiert werden kann, hat er die Möglichkeit seine Rationalität wiederzuentdecken. Jetzt können Sie vermutlich erkennen, warum ich vorher die Differenz zwischen Rationalismus und Rationalität so stark betont habe. Der moderne Mensch hat Letzteres verloren (Escape from Reason, p. 82).
Wenn ein Theologe deshalb die Dinge zu durchdenken sucht und die Lehren der Schrift mit dieser selbst in Einklang bringen möchte, ist er kein Anhänger des Rationalismus. In der Tat ist es die Aufgabe des Theologen die Wahrheiten der Schrift so zu systematisieren, dass sie sich aufeinander beziehen und einander nicht widersprechen. Logik und Rationalität außen vor zu lassen heißt vielmehr, die Möglichkeit Theologie zu betreiben zu zerstören. Viele Theologen bestehen jedoch darauf, dass genau dies getan werden muss.
Daher geht es hier nicht um Offenbarung versus Rationalismus, sondern darum, ob die Offenbarung rational ist – ob, wenn Gott spricht, er in Widersprüchen und Paradoxien spricht, er irrational spricht. Ein Widerspruch z.B. dass ein Viereck rund ist, ist Nonsense. Jemand mag das glauben, aber in diesem Fall kann derjenige beschuldigt werden, irrational oder sogar schwachsinnig zu sein.
Es sind Widersprüche von dieser Art, die Theologen verteidigen, wenn sie sagen Gott habe zwei Willen; dass er alle Menschen retten möchte und es doch nicht möchte; dass er die Nichterretteten liebt und nicht liebt oder dass er unveränderlich bleibt, wenn er sie erst liebt und dann nicht mehr liebt. Es ist kein Rationalismus solche Widersprüche zurückzuweisen, sondern Rationalität und die Zurückweisung jedweder Irrationalität.
An diesem Punkt kommt das Thema mit Bezug auf Geheimnisse auf. Zur Verteidigung ihrer Widersprüche sagen Theologen: „Es ist ein Geheimnis." Jemandem, der diese Thematik kaum durchdacht hat, erscheint dies akzeptabel und gut. Nicht zuletzt spricht die Bibel selbst von Geheimnissen und im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet das Wort etwa „etwas, das wir nicht verstehen können". Also scheint der Theologe vollkommen gerechtfertigt zu sein, wenn er das Wort Geheimnis verwendet, um „etwas, das unmöglich zu verstehen ist – einen Widerspruch" zu verdeutlichen.
Wie auch immer, dies ist nicht die biblische Bedeutung des Wortes Geheimnis. In der Schrift bedeutet dieses Wort „etwas, das der natürliche Mensch nicht verstehen kann, weil er ein Narr ist, was jedoch den Kindern Gottes von Gott selbst offenbart ist und das von ihnen verstanden werden kann und muss". Paulus spricht in Epheser 3,3-5 vom Geheimnis, „das in früheren Generationen den Menschenkindern nicht bekannt gemacht wurde, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist geoffenbart worden ist". Dieses Geheimnis wird nicht nur von Theologen oder Führungspersonen wie Paulus verstanden, sondern wurde gegeben, damit „ihr, wenn ihr es lest, meine Einsicht in das Geheimnis des Christus erkenn[t]".
Auch im allgemein üblichen Gebrauch des Wortes liegen die Theologen falsch, wenn sie durch eine Ausdehnung der Bedeutung ihre Widersprüche und Paradoxien zu verdecken suchen. Wenn wir von der Trinitätslehre als einem Geheimnis sprechen, wollen wir nicht mit anderen Worten sagen, dass die Trinitätslehre sich selbst widerspricht und irrational ist, sondern nur, dass wir sie nicht vollkommen verstehen.
Wenn die Trinitätslehre bedeutete, dass Gott ein Gott und drei Götter ist oder eine Person und drei Personen (wie Cornelius van Til sagt), dann wäre sie ein Widerspruch und unverständlich. Gott kann nicht zur selben Zeit ein Gott und drei Götter sein. Trinität bedeutet lediglich, dass Gott ein Gott ist und drei Personen. Dies mag schwer zu verstehen sein, aber es ist kein Widerspruch – kein Geheimnis im Sinne eines Widerspruchs.
Auch sind die Lehren von Gottes Souveränität und der Verantwortung des Menschen kein Geheimnis in dem Sinn, dass sie sich gegenseitig widersprechen. Widersprächen sie sich, müssten wir uns zwischen ihnen entscheiden. Glücklicherweise müssen wir das nicht. Sie sind in der Hinsicht ein Geheimnis, dass wir nicht völlig verstehen wie sie im Einklang stehen, aber sie widersprechen sich nicht. Sie sind kein Paradoxon. Wir stimmen daher mit Herman Hoeksema überein, der sagt:
Sie wären widersprüchlich, wenn die erste Annahme leugnete was von der Zweiten bejaht wird. Dies ist jedoch nicht wahr. Die erste Annahme behauptet von Gott: Er ist absolut souverän und beschließt das Handeln der Menschen. Die zweite Annahme sagt etwas über den Menschen aus: Er ist verantwortlich für sein moralisches Handeln. Verneint die erste Annahme, dass der Mensch verantwortlich ist? Wenn sie es tut, liegt hier ein Widerspruch vor. Allerdings tut sie es nicht. Diejenigen, die hier gerne einen Widerspruch finden würden, normalerweise die Feinde der Wahrheit von Gottes Souveränität, nehmen einfach als selbstverständlich hin, dass Gottes Souveränität über menschliches Handeln anzunehmen, dasselbe bedeutet wie zu sagen der Mensch sei nicht verantwortlich ("Sovereignty and Responsibility"—The Clark-VanTil Controversy, p. 28).
Zu behaupten Gott liebe die Verworfenen und liebe sie nicht, ist kein Geheimnis, sondern ein Widerspruch. Es ist unmöglich der Vorstellung einen Sinn abzugewinnen, dass Gott die Verworfenen eine Weile liebt und dann aufhört sie zu lieben und dabei dennoch unveränderlich bleibt. Das ist so widersprüchlich, dass wir dies zurückweisen und dies sollte auch in der reformierten Theologie zurückgewiesen werden.
Hier steht mehr auf dem Spiel als die bloße Frage, ob wir Widersprüche glauben können oder nicht, wie viele Theologen sagen, dass wir das können und sollten. Die wahre Natur und das Sein Gottes stehen auf dem Spiel.
Ein grundlegendes Merkmal Gottes ist seine Einfachheit, ein Merkmal, über das man normalerweise wenig hört. Der erste Artikel des Niederländischen Glaubensbekenntnisses zählt dieses Merkmal zuerst auf:
Wir glauben von Herzen und bekennen mit dem Mund, daß da ist ein einziges und einfaches geistiges Wesen, das wir Gott nennen, ewig, unbegreiflich, unsichtbar, unveränderlich, unendlich, der vollkommen weise ist, gerecht und gut und die reichlichste Quelle aller Güter ist.
Doch diese Eigenschaft ist so wenig bekannt, dass die Sprache des Niederländischen Glaubensbekenntnisses seltsam in unseren Ohren klingt.
Gottes Einfachheit bedeutet, dass er ungeteilt ist. Dies ist zuerst in Bezug auf die drei Personen der Trinität wahr – dass sie keine eigenständigen Götter, sondern zusammen ein Gott sind. In Verbindung mit Gottes Eigenschaften ist dies ebenfalls wahr. Sie können nicht voneinander getrennt werden oder gegeneinander gestellt werden. Es gibt zum Beispiel keine Trennung oder keinen Konflikt zwischen seiner Gerechtigkeit und seiner Gnade. Seine Gnade wird immer gerecht sein und seine Gerechtigkeit gnädig. Daher sind in Gott weder Widersprüche noch Disharmonien vorhanden. Er ist eins und ungeteilt in seiner Person, in seinen Eigenschaften, in seinen Absichten und seinem Willen und seinen Werken. Seine Werke stehen niemals im Widerspruch zu seinen Absichten, auch seine Absichten nicht im Widerspruch zu sich selbst.
Diese Eigenschaft wird von jenen verneint, die gewillt sind Widersprüche in Gottes Willen oder zwischen seinem Willen und seinem Handeln zu finden. Damit befürworten sie nicht nur Irrationalität, sie leugnen damit seine Einfachheit und stehen im Konflikt mit dem, was die Schrift über Gott lehrt (1. Joh 1,5). Widersprüche in Gott zu finden, heißt Gott zu verleugnen. Es gibt viele Dinge an Gott, die wir nicht ergründen können, viele Dinge, die wir nicht vollkommen verstehen, aber in ihm ist keine Ungewissheit zu finden.
Die "Theologie des Paradoxons und Widerspruchs" ist auch eine Ablehnung der Lehre der Schrift. Wenn Widersprüche in der Schrift vorhanden sind, dann ist die Schrift nicht länger eine Offenbarung. Ein Widerspruch "offenbart" nichts. Er macht das Verstehen und Begreifen unmöglich. Die Schrift ist auch nicht perfekt und unfehlbar, wenn Widersprüche in ihr existieren. Ein Widerspruch ist eine Unvollkommenheit, ein Fehler, wie auch immer man es betrachtet.
Die regula Scripturae, die Regel der Schrift, eins der großen Prinzipien der Reformation bedeutet, dass sich die Lehrweise der Schrift vom Anfang bis zum Ende konsistent durch die Schrift zieht. Natürlich ist dies eine Schlussfolgerung dessen, dass sie das Wort Gottes ist. Wenn die Bibel nur eine von verschiedenen Männern geschriebene Buchreihe wäre, könnten wir weder Einheit noch Konsistenz erwarten. Doch weil der Heilige Geist der Autor der Schrift ist, hat sie beides: Einheit und Konsistenz in allem was sie sagt. Das implizieren Jesu Worte in Joh. 10,35: „die Schrift kann doch nicht gebrochen werden". In ihr Widersprüche zu finden, entweder in ihren Aussagen über Gott oder bezüglich historischer Details, bedeutet abzulehnen, dass die Schrift Gottes unfehlbare Wort ist.
Das bedeutet nicht, dass wir jeden Abschnitt der Schrift verstehen. Sicherlich gibt es Stellen, die schwer für uns miteinander in Einklang zu bringen sind, doch jeder, der an die Unfehlbarkeit der Schrift glaubt würde darauf bestehen, dass wir diese Stellen einfach nur nicht verstehen. Einzuräumen, dass sie tatsächlich Widersprüche sind bedeutet zu sagen, dass die Schrift fehlerhaft ist und ihr ihre Autorität als dem Wort Gottes abzusprechen.
Was jedoch am erschreckendsten bezüglich der Tendenz Widersprüche sowohl in der Bibel als auch in der Theologie zuzugeben ist, dass dies den Kerngedanken der Neo-Orthodoxie darstellt. Der Gedanke, dass der Glaube in der Lage ist Widersprüche zu glauben – das ist die Quintessenz des Glaubens vernunftwidrige Dinge zu glauben – ist der Kern von Karl Barths paradoxer Theologie. Er beschrieb den Glauben als "einen Sprung ins Ungewisse", der alle Arten von Widersprüchen akzeptiert: Gott erwählte und verwarf Esau (liebte und hasste ihn); Gott erwählt und verwirft alle Menschen; Gott ist omniszient (allwissend) und dennoch in seinem Wissen eingeschränkt.
Seine Anhänger gingen sogar noch weiter. Brunner leugnete die Unfehlbarkeit der Schrift glattweg indem er lehrte, dass die Bibel voll von Widersprüchen sei, Gott sich uns aber trotzdem durch diese Dinge offenbaren kann und es auch tut. Gemäß Brunner beschäftigt sich Theologie nicht mit rationaler, verständlicher Wahrheit, auch ist die Bibel kein System der Wahrheit. Laut Brunner sind die Widersprüche und Diskrepanzen der Schrift eine Sache von Gottes Herablassung uns gegenüber und dass die einzig wichtige Sache darin besteht, Gott in der Schrift zu "begegnen" und nicht sie buchstäblich zu verstehen und zu glauben.
Viele Evangelikale übernehmen heutzutage dieselbe Ansicht über den Glauben, die Schrift und Gott. Sie sagen auch, dass die Schrift nicht in jedem Teil kohärent und konsistent sein muss, dass das Wissen von Gott voll von Paradoxien, Antinomien und Widersprüchen sein kann und dass der Glaube in seiner innersten Beschaffenheit dazu in der Lage ist, solche Widersprüche und Irrationalitäten ohne Fragen zu akzeptieren.
Ein Beispiel, welches mir hier in den Sinn kommt ist das von einem reformierten Pastor, der versucht hat das wohlmeinende Angebot des Evangeliums und die allgemeine Gnade durch solch ein Abzielen auf Irrationalität zu verteidigen. Er versuchte die Anschuldigung zu beantworten, dass Gott veränderlich ist, wenn er den Verworfenen Liebe und Gnade durch die Darreichung der natürlichen Gaben und im wohlmeinenden Angebot des Evangeliums zeigt, d.h. er liebt sie jetzt und hört auf sie zu lieben, wenn er sie in die Hölle schickt. Sich selbst verteidigend sagte dieser Mann, dass Gott unveränderlich war, doch konnte er als ein Souverän trotzdem „für sich selbst eine Reihe von verschiedenen Dispositionen" bestimmen. Mit anderen Worten, obwohl er unveränderlich ist, konnte er als Souverän entscheiden, dass er seine Einstellung gegenüber den gottlosen Verworfenen ändern würde. Um es noch einfacher auszudrücken, er sagte, dass obwohl Gott unveränderlich ist, er sich ändern kann.
Der neo-orthodoxe Karl Barth drückt dies so aus:
Wir mögen glauben, dass Gott nur absolut sein kann und muss im Gegensatz zu allem, was relativ ist [...] doch solche Glaubensvorstellungen stellen sich durch die Tatsache als ziemlich unhaltbar und verdorben und heidnisch heraus, dass Gott es ist und es in Jesus Christus ist. Wir können sie nicht zum Standard machen, an dem wir messen was Gott tun kann oder nicht tun kann oder zur Basis des Urteils, dass er sich in einen Selbst-Widerspruch bringt, wenn er diese Dinge tut [...] Er ist absolut, unendlich, erhöht, aktiv, unzugänglich, alles übersteigend, aber in all dem ist er derjenige, der frei in seiner Liebe ist und daher nicht sein eigener Gefangener. Er ist all das als der Herr und auf eine Weise, dass er das Gegenteil dieser Konzepte umfasst (d.h. er ist auch relativ, endlich, untätig, in der Lage zu leiden und in seiner Herrlichkeit übertroffen) derweil er auch über ihnen steht (Church Dogmatics, IV, i, 55, pp. 183ff; Kursivsetzung durch mich).
Was sagt Barth damit? Er sagt, dass Gottes Freiheit und Souveränität bedeuten, dass er zum gleichen Zeitpunkt unendlich und endlich sein kann, erhöht und erniedrigt, allmächtig und unfähig, unwandelbar und dennoch Veränderungen unterstellt. Auch ist Barths Bezugnahme auf Jesus Christus nichts anderes als ein Vorwand, um die Tatsache zu verschleiern, dass er eigentlich Gottes absolute Allmacht, Unwandelbarkeit und Unendlichkeit leugnet. Dass Christus in seiner menschlichen Natur begrenzt, veränderlich und endlich war und in der Zeit geboren wurde, verneinen wir nicht. Doch das ist es nicht, was Barth meint. Er meint, wie der erste Teil des Zitates zeigt, dass es heidnisch ist zu denken oder zu sagen, dass Gott absolut und ohne Einschränkung allmächtig, allwissend, unwandelbar und unendlich ist. Er muss auch machtlos, beschränkt im Wissen, veränderlich und endlich sein.
Wenn du einwirfst, dass das unverfrorene Widersprüche oder Paradoxien sind, wird Barth dir sicherlich zustimmen und dir sagen, dass es aus genau dem Grund eine Sache des Glaubens sei – Glaube versteht nicht, sondern glaubt einfach das Irrationale. Das, unbewusst oder sonst wie, ist dieselbe Schlussfolgerung vieler, wenn sie ihre Paradoxien oder Antinomien verteidigen.
Interessanterweise ist Barths Schlussfolgerung bezüglich der Theologie: „Sie kann niemals ein System formen, gewissermaßen ein ‘ergreifen’ des Objektes umfassen"(Church Dogmatics, II, 3, p. 293). Dies bedeutet einfach, dass nicht nur die Theologie, sondern auch das was sie sucht, die Erkenntnis Gottes, unmöglich ist.
Wir leugnen nicht, dass der Glaube oftmals die Gegebenheit annehmen muss, dass er nicht alles vollkommen versteht. Wir verneinen bloß, dass der Glaube ein solcher "Sprung ins Ungewisse" ist, dass er Nonsense und Unvernunft akzeptieren muss. Wenn Gott Gott ist, wenn die Offenbarung wahrhaftig die Offenbarung Gottes ist und wenn die Schrift unfehlbar ist und nicht gebrochen werden kann, dann kann das nicht sein.
Die Gefahr hierbei ist nicht gering. Auf vielerlei Art schlägt paradoxe Theologie auf Grundsätze ein. Die Vorstellung, dass Widersprüche in Gott und der Schrift vorhanden sein können und dass der Glaube diese Widersprüche akzeptieren kann, öffnet all den Irrtümern des Subjektivismus die Tür mit denen die Kirche heutzutage geplagt wird. Mit Subjektivismus meinen wir die Lehren, dass Gefühle und Erfahrungen wichtiger sind als Lehre und Wahrheit. Viele sagen: „Wir müssen keine Gründe für die Wahrheit anbringen oder beweisen, dass etwas richtig ist". Es reicht zu fühlen, dass es richtig ist und es kann blindlings akzeptiert werden. Zu versuchen dem einen Sinn zu verleihen, Theologie zu betreiben oder eine Glaubenslehre zu lehren, zerstört jede Möglichkeit zu Leidenschaft oder Liebe und lässt einen in Abgestumpftheit verfallen. Unsere Gefühle und Erfahrungen können der Schrift sehr wohl widersprechen, aber das nötigt ihnen nichts ab. Glaube erfordert, dass wir ihnen folgen selbst wenn sie der Schrift widersprechen.
In Opposition zu solch einem Irrtum wenden wir uns gegen jede "Theologie" der Paradoxien und Widersprüche, ob der von Barth, Niebuhr und Brunner oder der eher ignoranteren Version derselben, die heute unter der Bezeichnung Evangelikalismus läuft.
Um weitere Artikel auf Deutsch zu lesen, bitte hier anklicken.