Covenant Protestant Reformed Church
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Prophetie auch heute noch?

Rev. Angus Stewart

 

Nachdem wir uns einen Überblick über die Geschichte und die Vorreiter der modernen Pfingst- und charismatischen Bewegung (Pfingstbewegung, Charismatik und Neocharismatik) verschafft und uns zwei ihrer gravierendsten Irrlehren (ihr Verständnis von der Taufe mit dem Heiligen Geist bzw. vom Reden in „Zungen“) angesehen haben, kommen wir nun zur Prophetie. Unter Prophetie versteht man in dieser Bewegung nicht einfach Zitate aus der Bibel oder Auslegungen und Anwendungen des Wortes Gottes. Vielmehr handele es sich bei Prophetie um mitgeteilte Offenbarungen, die - heute, in der nachapostolischen Zeit - direkt von Gott empfangen werden. Was sollten Gläubige und insbesondere reformierte Christen davon halten? Im Folgenden sollen drei Tests bezüglich des Nicht-Aufhörens der Prophetie vorgestellt werden, ebenso wie die Antworten auf zwei Versuche der Pfingstler und Charismatiker, sich argumentativ aus der Klemme zu befreien.

 

Test Nr. 1

Der erste Test besteht daraus, Fragen wie die folgenden zu stellen und die entsprechenden Antworten zu erhalten:

  • Weißt Du von einem Fall, bei dem das, was ein heutiger Prophet sagte, der biblischen Lehre widersprach?

  • Gibt es bei den pfingstlich-charismatischen Prophezeiungen auch falsche Vorhersagen?

  • Ist Dir eine Prophezeiung bekannt, die sich nachweislich nicht erfüllt hat?

Ich weiß von einem Bruder, der diese Fragen vielen Pfingstlern und Charismatikern gestellt hat und sie alle antworteten mit „Ja!“. Was für ein Armutszeugnis!

David Wilkerson, ein anglikanischer Charismatiker, sagte im Jahre 1972 voraus, dass innerhalb der folgenden 12 Monate die Berliner Mauer fallen würde. Sie fiel allerdings erst 17 Jahre später (1989)1. Was tat daraufhin die betreffende Gemeinde? Was taten all die betroffenen Gemeinden in all den vielen anderen Fällen, in denen sich pfingstlich-charismatische Vorhersagen als unzutreffend herausgestellt haben? Wenn auch nicht ausnahmslos, aber doch ganz überwiegend hatten diese Fälle in Gemeinden der Pfingst- und Charismatischen Bewegung keinerlei Konsequenzen hinsichtlich Gemeindezucht. Damit ist bezüglich des dritten Kennzeichens einer wahren Gemeinde (Artikel 29 des Niederländischen Glaubensbekenntnisses) alles gesagt.

In 5. Mose 18,22 steht: „Wenn der Prophet im Namen des HERRN redet, und das Wort geschieht nicht und trifft nicht ein, so ist das das Wort, welches der HERR nicht geredet hat; mit Vermessenheit hat der Prophet es geredet; du sollst dich nicht vor ihm fürchten.

Ein Prophet, der eine Vorhersage macht, die dann nicht eintrifft, „soll sterben“ (Vers 20). Die neutestamentliche Entsprechung hiervon ist laut 1. Korinther 5 der Ausschluss aus der Gemeinde. Wurde je ein Pfingstler aus seiner Gemeinde ausgeschlossen, weil sich seine Vorhersagen nicht bewahrheitet haben? Vielleicht mag das schon passiert sein, aber dann wäre es der absolute Ausnahmefall. Die „Kansas City Propheten“ sind der Auffassung, dass ein Eintreffen von zwei Dritteln aller Vorhersagen ein “relativ gutes“ Ergebnis sei, da diese Erfolgsrate bis dahin noch nie erreicht worden sei. Alle Kansas City Propheten haben zugegeben, dass sie schon Dinge vorhergesagt haben, die dann nicht eingetroffen sind. Der Charismatiker John White, der voraussagte, dass er leben würde, der dann aber doch starb, sagte, dass die heutigen Propheten bei ihren Vorhersagen natürlich Fehler machen würden (obwohl Gott durch sie spricht2!) - denn schließlich seien wir alle nur Menschen…

Wieviele falsche Vorhersagen sind notwendig, um jemanden als falschen Propheten zu entlarven? Eine! Eine einzige! Jeder, der im Namen Gottes auch nur eine einzige falsche Vorhersage tätigt und diesbezüglich uneinsichtig bleibt, sollte aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, weil er ein Lügner und ein falscher Prophet ist.

 

Test Nr. 2

Stellen wir uns einen pfingstlichen Propheten vor, der etwas vorhersagt, was dann tatsächlich auch eintritt. Wie gehen wir damit um? 5. Mose 13,1-5 behandelt diesen Fall und stellt uns damit den zweiten Test zur Verfügung. Vers 1 spricht von einem Propheten, der ein „Zeichen oder ein Wunder“ tut, „und das Zeichen oder das Wunder trifft ein“ (Vers 2). Aber dieser Prophet ist auch ein Irrlehrer (Vers 2). Und obwohl sein Zeichen, sein Wunder oder seine Prophezeiung tatsächlich eingetreten ist, ist er als falscher Prophet trotzdem hinzurichten (Vers 5) – was heutzutage wieder dem neutestamentlichen Gemeindeausschluss entspricht.

5. Mose 13 erläutert den Grund für diese Verfahrensweise: Gott möchte diejenigen prüfen, die sich zu ihm bekennen. Wer Gott wirklich mit seinem ganzen Herzen liebt und seine Gebote hält, wird einen Irrlehrer nicht akzeptieren, sondern aus der Gemeinde ausschließen – auch wenn er schöne Zeichen und Wunder tut (Verse 3-5).

Wenn in der Zeitung von Morgen stünde, dass sich bemerkenswerte Vorhersagen der Pfingstler erfüllt hätten – sagen wir, dass die Hauptstadt eines Landes von einem Erdbeben zerstört wurde, und dass die Propheten einer Pfingstgemeinde dies vorhergesagt hätten – dann würden wir sie immer noch nicht als Sprecher Gottes akzeptieren. Warum nicht? Weil untrennbarer Teil ihrer Verkündigung auch die arminianische Lehre des freien menschlichen Willens und andere Irrlehren sind. Gott würde uns also prüfen: „Liebst Du mich? Liebst Du die Wahrheit? Oder bist Du mehr an den Zeichen und Wundern einer abgefallenen Bewegung interessiert?“

 

Test Nr. 3

Nun kann es aber sein, dass noch ein dritter Test notwendig wird. Nehmen wir einmal den theoretischen Fall an, dass jemand sagt, er sei ein Prophet, dass seine Vorhersagen immer eintreffen und dass er ausschließlich schriftgemäße Lehren vertritt. Was nun? In einem solchen Fall müsste man Epheser 2,20 heranziehen, wo es heißt, dass die „Apostel und Propheten“ „die Grundlage“ der Gemeinde sind. Diese Grundlage wurde im ersten Jahrhundert gelegt und kann – ähnlich einem Fundament – niemals wieder neu gelegt oder verbessert werden. Die Lehre der Apostel und Propheten - die Grundlage – ist nichts anderes als das vollständige, für alle Zwecke ausreichende, irrtumslose und unfehlbare Wort Gottes.

Es spielt also keine Rolle, ob eine außerbiblische Vorhersage eintrifft und ob die Lehren desjenigen, der sie tätigt, schriftgemäß sind – wer behauptet ein Prophet zu sein und direkte Offenbarungen von Gott zu erhalten ist per Definition ein Lügner und falscher Prophet. Warum? Weil Gott nicht länger direkte Offenbarungen gibt, denn er hat die Grundlage seiner Gemeinde bereits in der Heiligen Schrift gelegt. Sie kam durch die von ihm gesandten Apostel und Propheten vor fast 2.000 Jahren zu uns.

 

Zwei Versuche

Es gibt im Wesentlichen zwei Versuche, um dieser Schlussfolgerung zu entgehen. Der erste Versuch ist die Behauptung, dass es zwei Arten von Prophetie gäbe: Einmal die irrtumslose und unfehlbare Prophetie, die wir in der Bibel finden, und dann noch die fehlbare und fehlerhafte Prophetie von heute, die Fehler machen kann und dies auch tut. So lehrt es unter anderem Wayne Grudem.

Dieses erbärmliche Argument scheint aus der schieren Not geboren zu sein, da sowohl die Anhänger der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung, als auch jeder andere sehen kann, dass viele ihrer Prophetien einfach nicht eintreffen. Eine direkte Offenbarung von Gott ist per Definition verbindlich, irrtumslos und unfehlbar, denn er ist der Gott der Wahrheit, der „nicht lügen kann“ (Titus 1,2) – anders als die pfingstlich-charismatischen Propheten und jene, die diese auch noch verteidigen.

Zunehmend populär ist der zweite Versuch. Hier wird behauptet, dass Gott heute durch Träume oder Visionen zu Menschen spricht, die das Evangelium noch nicht gehört haben – in erster Linie sind davon offenbar Muslime betroffen. Mehrere frühere Muslime haben berichtet, dass Jesus Christus ihnen in ihrem islamischen Land in einem Traum oder einer Vision erschienen sei. Er habe ihnen gesagt, zu einem bestimmten Ort zu gehen um Gottes Wort von einer bestimmten Gemeinde oder Person zu hören. Es gibt sogar einige Reformierte und Presbyterianer, die ihren Behauptungen Glauben schenken. Für manche dieser Protestanten ist das der Anfang des Abstiegs in die Welt der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung. Bei anderen wird – bestenfalls – das Vertrauen in die Allgenügsamkeit der Schrift geschwächt, ebenso ihr Widerstand gegen die Irrlehre, dass es auch heute noch neue Offenbarungen von Gott gibt.

Unabhängig davon, zu was für einer Gemeinde oder zu welchen (wahren oder falschen) Christen diese Moslems gegangen sind und zu welchem (wahren oder falschen) Jesus sie sich bekehrt haben – wir weisen die Lehre zurück, dass Gott direkte Offenbarungen durch Träume oder Visionen gibt - selbst wenn es sich bei den Empfängern um Menschen handelt, die das Evangelium noch nicht gehört haben – auch wenn sie in islamischen Ländern leben sollten. Unsere Ablehnung hat folgenden Grund: Wer in einem Traum oder einer Vision eine Offenbarung von Gott erhält – insbesondere eine, die dem Empfänger nicht göttliches Gericht verkündet (vgl. Dan 2; 4) – dann muss es sich bei dieser Person um einen Propheten handeln.

Das Amt eines Propheten hat zwei Merkmale: Erstens empfängt er direkte Offenbarungen von Gott und gibt sie – zweitens – an das Volk weiter. Doch das besondere Amt des Propheten hat aufgehört, da es sich dabei um einen vorübergehenden Dienst handelte. Er trug dazu bei, das Fundament der neutestamentlichen Gemeinde zu legen (Eph 2,20). Im Unterschied dazu fällt heute das Amt des Propheten mit dem des Gläubigen zusammen. Dies ist ein dauerhaftes Amt, das all Gläubigen innehaben und das darin besteht, die Heilige Schrift zu erforschen, durch den Heiligen Geist Jesus Christus kennenzulernen und dann mit anderen Menschen über ihn zu sprechen.

Was wir heute brauchen sind nicht falsche Propheten oder falsche Vorhersagen sondern die richtige Ausübung des Amtes des Gläubigen als Prophet, so dass er von Jesus Christus hört, ihn liebt, ihm gehorcht und ihn bezeugt - so wie er in der Heiligen Schrift und durch die schriftgemäße Verkündigung seines Evangeliums durch treue Diener am Wort, seien es Hirten oder Lehrer, dargestellt wird. Wenn die Liebe „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben“ (Judas 3) verloren ist, dann werden Gemeinden bzw. einzelne Gläubige sehr leicht anfällig für pfingstlich-charismatische Lehren. Wo die Liebe für Gott, für seinen Sohn und sein Wort stark ist, dort gründet sich die Gemeinde fest auf dem einzig wahren Fundament. Und dies macht sie für die Sirenengesänge der falschen Propheten und der Lehre heutiger Offenbarungen gänzlich unempfänglich.

Fußnoten

1 Victor Budgen, The Charismatics and the Word of God (Great Britain: Evangelical Press, 1985), Seite 11.
2 John F. MacArthur, Jr., Charismatic Chaos (Grand Rapids, MI: Zondervan, 1992), Seiten 66-69.

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